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Channel: oma katia erzählt vom krieg – Seite 9 – Katias Blog
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alte kamellen 1

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Diese Geschichte kenne ich von meiner Oma. Sie gehörte zu ihrem Standard-Repertoire von Geschichten, die sie immer wieder erzählte.
Meine Oma erzählte sehr unterhaltsame, lustige Geschichten. Nur diese fiel da immer etwas aus dem Rahmen. Auch spielten die meisten ihrer Geschichten in einer Zeit, als ich noch noch nicht auf der Welt war – diese Geschichte handelte jedoch von mir.

Es war ein Frühlingsabend Mitte der siebziger Jahre, ich war 6 oder 7. Meine Oma war zu Besuch und half meiner Mutter bei der Hausarbeit. Wir wohnten in der Neubausiedlung einer Kleinstadt. Hinterm Haus war eine Sackgasse, wo die Kinder sich zum Radfahren, Gummitwist und Ball spielen trafen. Es gab dort sogut wie keinen Auto-Verkehr.

Abends blieb ich immer so lange wie möglich draussen. Meine Mutter war in diesen Dingen nicht streng. Sie freute sich, wenn wir Spaß hatten.
Mein Vater war auch schon zu Hause. Er hatte einen anstrengenden Tag. Das war einer seiner meistgesagten Sätze: er habe einen anstrengenden Tag gehabt und brauche seine Ruhe. Sobald er von der Arbeit nach Hause kam liess er sich in einen Sessel sinken und hielt die Zeitung hoch.

An diesem Abend war das auch so. Meine Mutter und meine Oma rödelten in der Küche und mein Vater hatte seine Ruhe. Da polterte ich kreischend zur Terassentür herein, die Strümpfe zerfetzt und das rechte Knie wie Hackfleisch. Ich sei von einem Fahrrad angefahren worden heulte ich.
Meiner Oma, eine große, stämmige Frau mit großem Busen, Mutter von 3, Oma von 8, wurde flau. Das Kind muss ins Krankenhaus! Meine Mutter biss sich auf die zitternden Lippen und rief ein Taxi. Ob mein Vater nicht vielleicht doch besser mitfahren wolle, schlug meine Oma vor aber er winkte ab. Er fänd es jetzt wichtiger, mal nachzuforschen, was eigentlich genau passiert sei.
Während also meine Mutter mit ein paar vollgebluteten Handtüchern und mir heulend auf dem Arm ins Taxi stieg ging mein Vater in die Sackgasse, um sich umzuhören.

Als mein Vater zurück kam waren meine Mutter und ich wieder zu Hause. Ich hatte einen dicken Verband ums Bein und war ziemlich erledigt, meine Mutter rührte verheult in ihrem Tee und meine Oma schmierte uns Knäckebrot mit Schmelzkäse als mein Vater zur Küchentür herein kam. Er habe Herrn Spabert getroffen, der habe ihm erzählt, was passiert sei. Der Fall sei klar: „sie war selbst Schuld.“

Als sich meine Eltern Jahre später trennten hat meine Oma nicht viel dazu gesagt. Wofür sie aber immer gesorgt hat war, dass diese kleine Geschichte nie in Vergessenheit geriet.

Ich habe die Narbe von diesem Unfall immer noch am Knie und wie ein Beweis dafür, dass ich mir die Geschichte nicht ausgedacht habe, sieht sie aus wie ein zerbrochenes Herz.


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